Willi Feibusch Chraplewski

Stempel: "Dr. Chraplewski pr. Arzt Wriezen, Markt 20 Fernsprecher 162"

2021 konnte ein Buch aus der Bibliothek von Willi Feibusch Chraplewski zurückgegeben werden.

Durch den mit Berufsangabe und Adresse versehenen Stempel „Dr. Chraplewski pr. Arzt Wriezen, Markt 20 Fernsprecher 162“ konnte eindeutig Willi Feibusch Chraplewski als vormaliger Eigentümer identifiziert werden. Nach den ermittelten Lebensdaten, 1887-1944, von Chraplewski und der Datumsangabe „1899“, die mit der Provenienz Dr. F. Selberg in Verbindung steht, konnte Chraplewski eindeutig als letzter bekannter Eigentümer des Buches belegt werden.

Willi Feibusch Chraplewski wurde am 15. August 1887 in Gnesen (heute Gniezno) bei Posen als Sohn des Glasers Josef Chraplewski und Johanna Feibusch geboren. Er studierte von 1906 bis 1912 Medizin an der Universität Berlin und praktizierte danach zunächst in Wriezen an der Oder. 1913 heiratete er in Berlin die am 16. Januar 1890 ebendort geborene Lucie Hornung, eine Tochter des Kaufmanns Salomon Hornung und Cäcilie Fried. Im gleichen Jahr am 9. Dezember wurde Ilse Hannah Magdalene Chraplewski als erstes Kind der beiden in Wriezen geboren. Am Ersten Weltkrieg nahm Willi Chraplewski als Zivilarzt teil. Nach Kriegsende zog er mit seiner Familie nach Berlin in die Wrangelstr. 21 und eröffnete eine Praxis. Am 7. November 1920 wurde die zweite Tochter, Susan „Susi“ Chraplewski geboren. Ilse Chraplewski machte 1932 in Berlin das Abitur und immatrikulierte sich noch im gleichen Jahr an der Universität Berlin. Sie studierte Zeitungswissenschaften.
 
Ab 1933 war die Familie Chraplewski in Deutschland als jüdisch verfolgt. So wurde die Tochter Ilse vom Studium ausgeschlossen, und dem Vater Willi 1938 die Kassenzulassung entzogen. Im Sommer 1939 gelang Willi und Lucie Chraplewski die Emigration nach Shanghai. Sie reisten per Schiff ab Neapel auf der S.S. Husimi Maru. Auch dort versuchte er eine Praxis zu eröffnen, was ihm jedoch nicht gelang. Von schweren Depressionen geplagt beging er 1940 oder 1941 einen Selbstmordversuch, der nur knapp misslang. Kurz darauf wurden die Chraplewskis gezwungen, im Shanghaier Ghetto in Hongkou zu leben. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich weiter, auch aufgrund der hygienisch katastrophalen Bedingungen im Ghetto und der schlechten Ernährungsversorgung. Er starb am 25. April 1944 im Shanghaier Ghetto. Auch Lucie Chraplewskis Gesundheit wurde durch den Aufenthalt im Ghetto schwer angegriffen. Sie erkrankte an Amöbenruhr und Meningitis, magerte stark ab und erhielt keine adäquate medizinische Versorgung. Sie starb am 16. August 1944, ebenfalls im Shanghaier Ghetto.
 
Susi Chraplewski war bereits vor 1940 die Flucht nach England gelungen. Sie heiratete dort im April 1945 Alfred C. Daniels. Über ihren weiteren Lebensweg ist nichts bekannt.
 
Ilse Chraplewski hatte im Januar 1939 in Berlin den aus Posen stammenden Prokuristen Fritz Sommerfeld geheiratet. Gemeinsam mit ihm und dessen 1935 geborenen Tochter Ruth Gabriele, aus seiner ersten Ehe mit der früh verstorbenen Charlotte Lilli Else Melzer (1901-1936), emigrierte Ilse 1940 ebenfalls nach Shanghai. Da der Seeweg bereits abgeschnitten war, flüchteten sie mit der Transsibirischen Eisenbahn. Die Familie überlebte nicht nur den Holocaust, sondern auch das Ghetto in Shanghai.
 
Die Ehe hatte nicht lange Bestand, 1944 ließen sich Ilse und Fritz Sommerfeld in Shanghai scheiden. Fritz Sommerfeld zog mit seiner Tochter 1949 nach Tel Aviv. Beide waren gesundheitlich schwer angegriffen, Fritz durch das Leben im Ghetto und Ruth durch die schlechte medizinische Versorgung - sie war Zuckerkrank. Auch aus wirtschaftlichen Zwängen zogen Fritz und Ruth Sommerfeld 1957 wieder nach Berlin. Fritz Sommerfeld eröffnete hier das Reisebüro „Passagebüro Cosmopolit“ in der Brandenburgischen Str. 39. Er starb am 6. Februar 1975 in Berlin. Ruth heiratete 1958 in Berlin, über ihren weiteren Lebensweg ist nichts bekannt.
 
Ilse Chraplewski heiratete 1945 in Shanghai den aus Bernstein (heute Pełczyce) stammenden Werner Adolf Haase, mit dem sie zwei Jahre später einen Sohn, Gerald Martin, hatte. Die Familie Haase zog 1948 in die USA. Sie lebten lange in Detroit, später in Denver. Werner Haase starb dort 1988. Ilse Haase geb. Chraplewski folgte ihm 2008.

Der Zugangsweg des Buches in den Bestand der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) ist unklar und konnte nicht eindeutig nachvollzogen werden. Als Lieferantenangabe ist im Zugangsbuch der Berliner Stadtbibliothek (BStB) lediglich das hauseigene Bücherlager vermerkt. Die Biographie des vormaligen Eigentümers legt nahe, dass das Buch Teil des Ankaufs von Büchern aus den letzten Wohnungen der deportierten Berliner Jüdinnen und Juden war, den die BStB 1943 getätigt hat -  eindeutig nachgewiesen ist dies allerdings nicht. Ebenso gut möglich ist ein antiquarischer Ankauf des Buches nach dem erzwungenen Verkauf der gesamten Wohnungseinrichtung der Familie Chraplewski 1939. Nachgewiesen werden kann jedoch auch dies nicht.