Valeriu Marcu

Valeriu Marcu (Foto von Hans Henschke/ullstein bild via Getty Images)

Stempel "Valeriu Marcu"

Zugangsnummer der „Phantom-Bibliothek“

2024 konnte ein Buch aus der Bibliothek von Valeriu Marcu zurückgegeben werden.

Valeriu Marcu wurde am 8. März 1899 in Bukarest geboren. Er war Schriftsteller, Historiker und Dichter und lebte seit 1920 in Berlin. Marcu war bereits in jungem Alter politisch aktiv. Er schrieb für sozialistische, kommunistische und pazifistische Zeitungen und Zeitschriften. Mitte der 20er-Jahre wandte sich Marcu mehr und mehr konservativen Kreisen zu. 1927 verfasste er die erste Biografie von Vladimir Lenin.

1933 flüchtete Marcu mit seiner Frau Eva Gerson über die Schweiz nach Frankreich. Seine umfangreiche Bibliothek wurde beschlagnahmt. 1941 konnte er in die USA emigrieren. Valeriu Marcu starb am 4. Juli 1942 in New York City.

Die etwa 15–20.000 Bände umfassende Privatbibliothek von Valeriu Marcu wurde in mehreren Etappen in Deutschland und Frankreich geraubt. Nach seiner Flucht aus Berlin wurde die Sammlung zunächst durch deutsche Behörden beschlagnahmt. Bei der durch die Intervention von Freunden erreichten Freigabe der Bibliothek im Herbst 1933 fehlte nach Aussagen Marcus allerdings etwa ein Drittel der Bände. Bei der erzwungenen Emigration in die USA musste Marcu seine ihm verbliebenen Bücher in Nizza zurücklassen. Angeblich soll er sie einer Freundin der Familie übergeben haben, aber was nach Marcus Tod und dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit der Sammlung geschah, ist bislang nicht bekannt. Bände mit Besitzstempeln Marcus wurden nach 1945 auch im Offenbach Archival Depot registriert.

Das in der ZLB identifizierte Buch wurde 1947 als Geschenk in den Bestand der Berliner Stadtbibliothek eingearbeitet. Als Lieferant ist im entsprechenden Zugangsbuch die Bergungsstelle, konkret Bergungsauftrag 153 (Bibliothek des Seminars für orientalische Sprachen) verzeichnet. Diese Bergungsstelle befand sich laut dem zugehörigen Bericht in Berlin am Schinkelplatz 6, der ehemaligen Berliner Bauakademie. Die Bauakademie war das Hauptgebäude mit Zentralbibliothek des Deutschen Auslandswissenschaftlichen Instituts (DAWI), wie das 1887 gegründete und an die Friedrich-Wilhelms-Universität angegliederte Seminar für Orientalische Sprachen ursprünglich hieß.

Das DAWI diente ab seiner Gründung 1940 als Forschungsinstitut und Dokumentationszentrum der eng verflochtenen und personell nahezu identischen Auslandswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin. Zusammen mit der Fakultät, die in erster Linie als Diplomatenschule fungierte, hatte das Institut die Aufgabe, Personen NS-ideologisch über die Beziehungen ausländischer Staaten zu Deutschland zu schulen. Ferner diente es als Auslands-Auskunftsstelle für Partei- und Regierungsorgane.

Die Bibliotheken des DAWI (Zentral- und Seminarbibliotheken) umfassten mehrere hunderttausend Bände. Eine unbekannte Anzahl davon waren Buchgeschenke des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA).

Das Buch enthält über dem Besitzvermerk von Marcu und der Nummer der Bergungsstelle zudem eine bislang nicht eindeutig zuordenbare Zugangsnummer („1937G3629“) und eine zugehörige Signatur (I K 55), sowie eine Notiz („Hahn tausch 189“). Entsprechende Zugangsnummern und Signaturen wurden im Bestand der Berliner Stadtbibliothek bereits häufiger in Büchern aus der Bergungsstelle 153 (aber auch Bergungsstelle 7, Bibliothek des Reichsluftfahrtministeriums) identifiziert. Sie sind in der kooperativen Provenienzdatenbank Looted Cultural Assets als „Phantom-Bibliothek“ verzeichnet, zurückgehend auf eine Bezeichnung des ersten Provenienzforschers der ZLB, Detlef Bockenkamm. Ein von Bockenkamm vermuteter Bezug zum Institut für Politische Pädagogik konnte bisher nicht erhärtet werden. Bücher aus der „Phantom-Bibliothek“ sind bereits häufiger als eindeutiges NS-Raubgut identifiziert worden; zumeist stammen diese aus Bibliotheken der SPD, der DDP oder von Gewerkschaften.

Wertvolle Unterstützung bei dieser Rückgabe erhielt die ZLB von der Provenienzforschung des Deutschen Technikmuseums, wofür wir herzlich danken!