Simeon Zipkes

Exlibris von Simeon Zipkes mit Autogramm und handschriftlicher Nummer.

Am 03. September 2024 konnte ein Buch aus dem Besitz von Simeon Zipkes (1878–1950) an seinen Enkel zurückgegeben werden.

Zipkes wurde am 13. Dezember 1878 in Jassy (Rumänien) geboren. Er war nach Jancu und Alexander der jüngste von drei Brüdern. Die Eltern führten in der Hauptstadt der Moldauprovinz ein Hotel. Simeon Zipkes durchlief die Volksschule und das Gymnasium von Jassy. Die Familie gehörte der jüdischen Religionsgemeinschaft an. 1897 begann er ein Studium an der hiesigen Universität. Antisemitische Übergriffe und Pogrome veranlassten ihn 1899, sein Studium in Paris fortzusetzen. Bereits wenige Monate später siedelte Zipkes in die Schweiz über. An der Eidgenössischen Technischen Hochschule erwarb er 1904 das Diplom als Hoch- und Tiefbauingenieur. Er trat in die Firma Luitpold, später Luitpold & Schneider, in Stuttgart ein. 1906 übernahm er nun als Chefingenieur die Zweigstelle in Zürich. Ab 1911 machte sich Zipkes selbstständig und leistete im In- und Ausland Pionierarbeit im Eisenbetonbau. Von seinem Wirken zeugt auch das von ihm ausgesuchte Exlibris, das einen Arbeiter mit Hammer und Meißel vor einer Fabriklandschaft zeigt.

Das Ingenieurbüro Zipkes in Zürich war eines der größten der Stadt und zählte zeitweise bis zu 20 Angestellte. Das Israelitische Wochenblatt nennt in Zipkes Nachruf als „grössere Bauten“ das Hotel Winter Palace in Gstaad und die Markuskirche in Stuttgart. Ferner publizierte Zipkes Artikel in den zeitgenössischen Fachzeitschriften. In dieser Zeit muss er auch mit der Zweiniederlassung der Stigler-Aufzüge GmbH in Zürich in Kontakt gestanden haben.

1909 heiratete Zipkes die Konzertsängerin Adele Bloch, die bereits 1918 während der Grippe-Epidemie verstarb.5 Aus der Ehe gingen mit Ernst (1910–1995) und Rudolf (1911–2013) zwei Söhne hervor. Verwitwet zog Simeon Zipkes mit seinen beiden Söhnen 1920 nach Berlin. Dort blieb er bis 1938. Das Jüdische Adressbuch für Groß-Berlin nennt 1931 als Wohnanschrift: Im Eichkamp 41, Berlin-Grunewald. In dieser Zeit lernte er in Barbara Heidl seine zweite Ehefrau kennen.6 Die politischen Verhältnisse in Nazi-Deutschland veranlassten ihn als Juden und schweizerischen Staatsbürger Berlin zu verlassen. Zeugnis von den Umständen gibt ein überliefertes Schreiben der Schweizerischen Gesandtschaft vom 19. November 1938:

(...) Sodann ist die Gesandtschaft zu Gunsten unseres jüdischen Landsmannes Ingenieur Simeon Zipkes vorstellig geworden, der auf die Arbeitsfront zitiert worden war, wo man ihm mit der Geheimen Staatspolizei gedroht und ihn gezwungen hatte ein Schriftstück zu unterzeichnen, wonach er auf die bisher geführte Verwaltung des Hauses einer italienischen Staatsangehörigen verzichte. Zipkes, der ohnedies die Absicht hatte Ende des Monats in die Schweiz zu reisen, hat nun die Abreise beschleunigt und sich von der Gesandtschaft mit dem Bemerken verabschiedet, dass er nicht weiter behelligt worden sei und ihm auch wegen seines Umzuges keinerlei Schwierigkeiten gemacht wurden. (...)

In wieweit der Aussage Glauben zu schenken ist, dass er bei seiner Remigration nach Zürich durch die Gestapo nicht behelligt wurde, bleibt ungewiss. Denn mit hoher Wahrscheinlichkeit ist in diesem Kontext das in der ZLB identifizierte Buch in Berlin zurückgeblieben oder veräußert worden. Aufgrund der Zeitperiode muss von einem NS-verfolgungsbedingtem Verlust ausgegangen werden. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz engagierte sich Simeon Zipkes in der Baukommission der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich.8 Einen Tag vor Chanukka verstarb Zipkes am 3. Dezember 1950.

Bei dem identifizierten Sonderdruck handelt es sich um einen besonderen Band, der anlässlich der Auslieferung des 15.000 Stigler Aufzuges publiziert worden ist. Der Band enthält keinen Hinweis auf ein Publikationsjahr oder -ort. Es ist zu vermuten, dass Zipkes als Ingenieur bei der Errichtung des Fabrikgeländes mitgewirkt hatte. Diese These lässt sich weder durch Quellen noch durch die Erinnerungen seiner Nachfahren verifizieren. Aufgrund der vorhandenen Provenienzmerkmale wird davon ausgegangen, dass die Stigler Aufzüge GmbH den Sonderdruck zu einem unbekannten Zeitpunkt (Quellen nennen für den Sonderdruck verschiedene Publikationsjahre, die nicht zu verifizieren sind) an die Zweigstelle in Zürich überreichte. Im Anschluss muss der Band in den Besitz von Simeon Zipkes gekommen sein, der sein Exlibris einpflegte. Aufgrund des Widmungstextes ist es unlogisch, dass Zipkes der Erstbesitzer gewesen sein soll und dann den Band an die Stigler-Fabrik übergeben hat. Gestützt wird diese These dadurch, dass der Sonderdruck in der BStB identifiziert wurde und Zipkes nachweislich von 1920 bis 1938 in Berlin wirkte.

Rücksprachen mit den Erben brachten keine weiteren Erkenntnisse zum Weg und damit zum Zugang des Buches.

Weiterführende Informationen

  • Israelitisches Wochenblatt (Journal Isrealité Suisse), 15.12.1950 (50 Jg., Nr. 50), S. 63 f.
  • Jüdisches Adressbuch 1931, S. 445.
  • Schweizerische Bauzeitung. Band (Jahr): 68 (1950). Heft 49.
  • Zipkes, Rudolf G.: Gelebtes Leben. Jude sein in einer weltoffenen Zeit. Autobiographie. Orell-Füssli-Verlag, Zürich 2005.