Henry Goldsmith
2025 konnten neun Bände einer Enzyklopädie aus der Bibliothek von Henry Goldsmith (früher Heinz Goldschmidt) zurückgegeben werden.
Heinz Goldschmidt wurde am 4. März 1915 in Berlin als Sohn von Karl und Rosa Goldschmidt (geb. Goldschmidt) geboren. Die eindeutige Zuordnung der Bände zu Henry Goldsmith als Vorbesitzer erfolgte über die in Band eins der Enzyklopädie enthaltenen Widmung: „Meinem lieben Heinz. Zu seiner Bar-Mizwah! Den 10 März 1928 Jakob Goldschmidt“.
Da der Nachname des Widmungsgebers initial nicht vollständig entziffert werden konnte, konzentrierte sich die Recherche zunächst auf den Widmungsnehmer Heinz und das Datum der Widmung zu dessen Bar Mitzwah. Ein passender Eintrag im Gemeindeblatt der Jüdischen Gemeinde zu Berlin vom 1. Mai 1928 berichtet über die Einsegnung u.a. von Heinz Goldschmidt am 10. März 1928 in der Synagoge Levetzowstraße in Berlin-Moabit.
Über den nun entschlüsselten Nachnamen konnte der Widmungsgeber eindeutig als der Bankier, Kunstsammler und Mäzen Jakob Goldschmidt (1882-1955) identifiziert werden. Die eindeutige Zuordnung erfolgte schließlich über einen Unterschriftenvergleich.
Genealogische Nachforschungen bestätigten, dass Jakob Goldschmidt ein Onkel väterlicherseits von Heinz Goldschmidt war. Jakob Goldschmidt war zudem Begründer des Initiativkomitees der deutschsprachigen Encyclopaedia Judaica. Bei den identifizierten Bänden handelt es sich um eine seltene Vorzugsausgabe, handgebunden in Vollleder, limitiert auf 100 Stück und nummeriert. Die Ausgabe für Heinz Goldschmidt trägt die Nr. 17. Dass diese Nummer auch in den Bänden zwei bis neun vorhanden ist, beweist, dass die gesamte Ausgabe Heinz Goldschmidt gehörte. Neben der im ersten Band enthaltenen Widmung finden sich keine weiteren eindeutig zuordenbaren Besitzmerkmale in den Bänden, abgesehen von solchen der Kammer der Kunstschaffenden und der BStB.
Die Familie Goldschmidt war im nationalsozialistischen Deutschland als Jüdisch verfolgt. Der Widmungsgeber Jakob Goldschmidt emigrierte ab 1934 über die Schweiz in die USA. Heinz‘ 1907 geborene Schwester Liselotte Weinbaum geb. Goldschmidt konnte 1936, seine Eltern Rosa und Karl Goldschmidt 1940 in die USA fliehen.
Heinz Goldschmidt hatte Berlin bereits im April 1933 verlassen und war über Antwerpen nach Liverpool geflohen, wo er zunächst als Baumwollmakler arbeitete. 1937 emigrierte er in die USA. Dort trat er 1940 in die U.S. Army ein. Auf seiner Einberufungskarte ist seine Namensänderung von Heinz Goldschmidt in Henry Goldsmith nachvollziehbar, wie auch seine innige Verbindung zu seinem Onkel Jakob Goldschmidt, der als Kontaktperson angegeben ist.
Henry Goldsmith wurde zu einem der „Ritchie Boys“, einer vorwiegend aus jüdischen Emigranten aus Deutschland und Österreich bestehenden Feldnachrichteneinheit, die im Camp Richie genannten Military Intelligence Trining Center in Maryland ausgebildet wurden. Hier diente er als Ausbilder, war Verbindungsoffizier zur britischen Armee in England und verhörte nach Kriegsende deutsche Offiziere.
Während seiner Dienstzeit hatte Henry Goldsmith die 1912 in Chicago geborene Broadwayschauspielerin Janet Fox kennengelernt, die beiden heirateten noch vor Kriegsende. 1946 kam ihre gemeinsame Tochter Julie in New York zur Welt. Später arbeitete Goldsmith als Manager für die Versandbuchhandlung Greystone Press. In den späten 1980er Jahren zog er mit Janet Goldsmith nach Palm Beach, Florida. Janet Goldsmith starb dort 2002, Henry Goldsmith folgte ihr 2014.
Die Enzyklopädie wurde 1946 als Geschenk in den Bestand der Berliner Stadtbibliothek (BStB) eingearbeitet und war seither in Benutzung. Als Lieferant ist im Zugangsbuch lediglich das hauseigene Bücherlager verzeichnet. Einige der Bände enthalten Nummerierungen der Kammer der Kunstschaffenden. Diese direkt nach Kriegsende in Berlin gegründete Nachfolgerin der Reichskulturkammer (RKK) hatte auch die Bibliothek der RKK übernommen. Dies ist ein möglicher Hinweis, dass die Exemplare zwischenzeitlich in die RKK-Bibliothek verbracht worden waren. Allerdings finden sich neben einigen nicht eindeutig zuordenbaren Nummern in den Exemplaren sonst keine weiteren Spuren auf Zwischenbesitz nach dem Beraubten. Die Kammer der Kunstschaffenden wurde schon 1946 wieder aufgelöst. Der Zugang dieser Bestände in die BStB ist bisher nicht näher untersucht worden und bedarf weiterer Forschung.
Die restituierten Objekte auf lootedculturalassets.de
- Klatzkin, Jakob (Chefred.): Encyclopaedia Judaica : Das Judentum in Geschichte und Gegenwart. Erster Band: Aach-Akademien. Berlin: Eschkol, 1928.
- Klatzkin, Jakob (Chefred.): Encyclopaedia Judaica : Das Judentum in Geschichte und Gegenwart. Zweiter Band: Akademien-Apostasie. Berlin: Eschkol, 1928.
- Klatzkin, Jakob (Chefred.): Encyclopaedia Judaica : Das Judentum in Geschichte und Gegenwart. Dritter Band: Apostel-Beerajim. Berlin: Eschkol, 1929.
- Klatzkin, Jakob (Chefred.): Encyclopaedia Judaica : Das Judentum in Geschichte und Gegenwart. Vierter Band: Beer-Bing-Cagliari. Berlin: Eschkol, 1929.
- Klatzkin, Jakob (Chefred.): Encyclopaedia Judaica : Das Judentum in Geschichte und Gegenwart. Fünfter Band: Cahan-Draguignan. Berlin: Eschkol, 1930.
- Klatzkin, Jakob (Chefred.): Encyclopaedia Judaica : Das Judentum in Geschichte und Gegenwart. Sechster Band: Drama-Gabinius. Berlin: Eschkol, 1930.
- Klatzkin, Jakob (Chefred.): Encyclopaedia Judaica : Das Judentum in Geschichte und Gegenwart. Siebenter Band: Gabirol-Hess. Berlin: Eschkol, 1931.
- Klatzkin, Jakob (Chefred.): Encyclopaedia Judaica : Das Judentum in Geschichte und Gegenwart. Achter Band: Hesse-Jerusalem. Berlin: Eschkol, 1931.
- Klatzkin, Jakob (Chefred.): Encyclopaedia Judaica : Das Judentum in Geschichte und Gegenwart. Neunter Band: Jerusalem-Kimchi. Berlin: Eschkol, 1932.