Hans Majut

Hans Majut als junger Mann, Datum unbekannt. Auf der Rückseite des Fotos steht handschriftlich von Hans Bruder Rudolf vermerkt: „Bild meines Bruders Hans Majut: Dr. med. dent. Gestorben von eigener Hand, durch die Verhältnisse in den Tod getrieben."

 

© Hans Majut Literary Papers, MS 201/Photos and pictures/Box 2, University of Leicester Archives and Special Collections.

Am 05. September 2024 konnte ein Buch aus der Bibliothek von Hans Majut zurückgegeben werden.

Hans Majut wurde am 30. Dezember 1892 als Sohn von Wilhelm und Anna Majut in Wien geboren. Die Familie gehörte der jüdischen Religionsgemeinschaft an. 1897 siedelte Hans gemeinsam mit seinem älteren Bruder Rudolf (1887–1981) und den Eltern zunächst nach Polen und dann nach Deutschland über. In Berlin ließ sich die Familie nieder. Sein Bruder Rudolf konvertierte offensichtlich als einziges Mitglied der Familie im Jahr 1914 zum protestantischen Christentum. Über die Zeit während und nach dem Ende des I. WK ist wenig bekannt. In der von Hans Majut 1933 niedergeschriebenen Kurzgeschichte mit dem Titel Die Flucht gab er einen kurzen Einblick in seine Gedankenwelt und den verbundenen Erfahrungen in der Zeit des I. WK: „Wie die meisten Lebensläufe unserer Tage hatte der Grosse Krieg auch in den meinen eine Kerbe geschlagen“. Majut arbeitete als Zahnarzt, war aber auch schriftstellerisch begabt. Der Umfang seiner Werke ist nicht aufgearbeitet. Zu vermuten ist, dass er regelmäßig kleine Kurzgeschichten veröffentlichte, wozu neben dem eingangs erwähnten Titel aus dem Jahr 1933 auch das 1928 entstandene Werk Der verlorene Sohn zu nennen ist. In der Rudolf Majut Collection, die sich auf Wunsch des Donators in der University of Leicester befindet, sind unter anderem 123 Gedichte von Hans Majut überliefert.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten begann auch für die Familie Majut eine Zeit der Vertreibung und Verfolgung. Beide Elternteile waren bereits verstorben. Mit dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 verloren die Brüder Hans und Rudolf aufgrund ihrer jüdischen Herkunft ihre beruflichen staatlichen Stellungen. Rudolf Majut, der als Studienrat und später als Lehrer tätig war, bekam für eine kurze Zeit seine Position zurück, da er im I. WK gedient hatte. 1935 wurde er aus der Reichsschrifttumskammer (RSK) ausgeschlossen und durfte fortan nicht mehr publizieren. Hans Majut sah für sich keinen Ausweg mehr und beging am 16. August 1937 Selbstmord. Seine letzte bekannte Wohnadresse befand sich seit 1935 in der Witzlebenstraße 17 in Berlin. Hans Majut war ledig und hatte keine Kinder. Tragischerweise schrieb er fast 20 Jahre zuvor eine Kurzgeschichte mit dem Titel Der Selbstmord. Rudolf Majut widmete noch im selben Jahr 1937 den Gedichtband Der Werdekreis seinem verstorbenen Bruder.

Rudolf befand sich zum Zeitpunkt von Hans Freitod in Basel, wo er Evangelische Theologie studierte, nachdem er in Nazi-Deutschland nicht mehr lehren durfte. In dieser Zeit war Rudolf bereits mit Käthe Genetet (1905–2005), einer deutschen Mathematiklehrerin zusammen. Sie folgte Rudolf in die Schweiz. Um als Lehrkraft in Nazi-Deutschland arbeiten zu können, war es notwendig, Parteimitglied zu sein. Dem verweigerte sie sich und dies vordergründig, weil sie Rudolf Majut liebte.

Mit Unterstützung des Bischofs von Chichester, Dr. George Bell, erreichte das Paar im Mai 1939 England. Am 7. Juni 1939 heirateten Rudolf und Käthe. Nach einer kurzen Internierungszeit in Hutyon arbeitete Rudolf als Pastor im Internierungscamp auf der Isle of Man. 1941 konnte das Ehepaar nach Leicester übersiedeln, wo sie bis zum Zeitpunkt ihres Todes lebten. Rudolf arbeitete zunächst als Deutschlehrer und wechselte dann ans Vaughan College, anschließend ans Loughborough College und letztlich an die University of Leicester. 1947 erhielt das Ehepaar die Britische Staatsbürgerschaft.

Aus der Ehe gingen keine Kinder hervor. Recherchen brachten überdies die Erkenntnis, dass weder Hans noch Rudolf Majut Erben hatten. Nach Rücksprache mit der Archivarin der Universitätsbibliothek Leicester, Frau Eleanor Bloomfield, übergab Rudolf Majut 1970 Teile seines schriftlichen Nachlasses, die auch zahlreiche Werke von Hans Majut beinhalten, an die University of Leicester. Sein Wunsch war, dass die Bücher „nicht in die Abteilung Germanistik der Universitätsbibliothek aufgenommen werden, sondern separat und in einem eigenen Raum als Grundbestand eines germanistischen Seminars wie z.B. des 'Institute of Germanic Studies' der Universität London oder der Taylor Institution in Oxford aufbewahrt werden“ sollen. Rudolf Majut legte auch fest, dass die Bücher nur für Studierende bestimmt waren. Er wollte, dass sie in einem verschlossenen Raum aufbewahrt werden, der für Forscher*innen „wohnlich“ gestaltet werden sollte. Der Brief schließt mit den Worten: „Ich habe diese Entscheidung aus Dankbarkeit für die mir von der Universität verliehene Ehre getroffen“ [Aus dem Englischen]. Bei dieser Ehre handelte sich offenbar um seine Ehrenprofessur, die ihm nach seiner Pensionierung im Jahr 1970 verliehen wurde.

Das in der Zentral- und Landesbibliothek befindliche Buch wurde im Rahmen einer Schenkung an die University of Leicester übergeben. Dort wurde das Buch in die Rudolf Majut Collection aufgenommen, wo sich bereits Teile des überlieferten Nachlasses von Hans Majut befinden. In Rücksprache mit den Kolleg*innen der Special Collections der University of Leicester wird das Buch dann aufgrund seiner Provenienz in den geschützten Bestand aufgenommen.

Das Schicksal des Vorbesitzers und der Zugangsweg in den Bestand der Berliner Stadtbibliothek lässt keine andere Bewertung als einen NS-verfolgungsbedingten Entzug des Buches zu. Es ist möglich, dass sich der Band bis zur Flucht von Rudolf oder Käthe Majut in deren Besitz befand und dann zurückgelassen werden musste, womit die Nationalsozialisten Zugriff auf das Objekt bekamen.