Ernst Reizenstein

Exlibris von Ernst Reizenstein

Der Hopfenhändler und spätere Privatier Ernst Reizenstein wurde am 27. Juni 1866 in Mühlhausen geboren. Er war mit Margarete „Grete“ Reizenstein (1876–1935), geb. Hesselberger, verheiratet. Tochter Luzie (Lucie, Lucy) Elisabeth wurde am 1. Juli 1897 in Nürnberg geboren. Die Familie wohnte mit Unterbrechung von 1895 bis 1942 in Behringersdorf bei Nürnberg. Im Zuge der Novemberpogrome 1938 musste Ernst Reizenstein gemeinsam mit seiner Tochter seine Villa in der Laufer Straße in Behringersdorf verlassen. Luzie Reizenstein ließ sich nach kurzer Ehe scheiden und zog wieder ins Elternhaus. Die Familie wurde enteignet. Im Anschluss wohnten sie bei Ernsts Bruder Fritz in der Straße Zum Brühl 9 in Behringersdorf. Am 6. Juli 1942 mussten sich Vater und Tochter im jüdischen Altersheim (Lazarus und Bertha Schwarz’sche Altersversorgungsanstalt) in der Johannisstraße 17, eine von drei Sammelstellen für die Nürnberger Juden vor ihrer Deportation, einfinden. Nach dem Tod von Reizenstein lebte seine Tochter Lucie bis zu ihrer Deportation im September 1942 im jüdischen Altersheim in der Johannisstraße.

Gemeinsam mit seinem Bruder Paul leitete Ernst Reizenstein die Hopfenhandlung Ernst Reizenstein am Marienplatz 9 in Behringersdorf. Der Firmensitz der Hopfenhandlung lag am Marienplatz 11. Die Firma gehörte Reizensteins Verwandten, dem Kaufmann und Königlich schwedischem Vizekonsul Max Leopold Reizenstein (1898–1973). Im selben Gebäude am Marienplatz 11 war das schwedische und französische Konsulat untergebracht.

Einen Tag vor seiner Deportation nahm sich Ernst Reizenstein im Alter von 77 Jahren am 6. Juli 1942 im jüdischen Krankenhaus in Fürth das Leben. Grete Reizenstein war bereits 1935 verschieden. Seine Tochter Lucie wurde am 10. September 1942 ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Durch Vermittlung des Internationalen Roten Kreuzes kam sie frei und erreichte am 5. Februar 1945 die Schweiz. Sie überlebte die Shoah und emigrierte in die USA, wo sie 1956 in Chicago kinderlos verstarb.

Die Familie Reizenstein gehörte zu den angesehenen alteingesessenen jüdischen Familien der Stadt. Unter ihnen waren Akademiker und Geschäftsleute. Ernst und Max Leopold Reizenstein standen auch im besonderen Fokus von Julius Streicher (1885–1946). In der Fränkischen Tageszeitung und der antisemitischen Hetzschrift Der Stürmer publizierte Streicher diffamierende Verleumdungsschriften über die Familie Reizenstein.

Das Exlibris wurde von dem Nürnberger Künstler Otto Wirsching (1889–1919) gestaltet. Wirsching war mit einer Cousine Reizensteins verheiratet. Als Künstler war Otto Wirsching vordergründig für seine Holzschnitte bekannt. Das Exlibris entstand ca. 1910. Es zeigt starke historische und jugendstilhafte Elemente. Vor der Kulisse der Nürnberger Burg – Ansicht von der Tiergärtnertor-Seite – ist der Nürnberger Lyriker und Dramatiker Hans Sachs (1494–1576) zu sehen. Die Noris weist ihn als archetypischen Nürnberger, die Leier als Dichter aus. Die Leier ist aber auch ein Zeichen des biblischen Königs David, der ebenfalls als Dichter und als Verfasser der Psalmen bekannt ist. Eine Abbildung König Davids mit einer Leier in der Hand findet sich auch am Nürnberger Schönen Brunnen. Ein weiterer Bezug zwischen Exlibris und dem Brunnen am Nürnberger Hauptmarkt wird an der Typografie deutlich. Otto Wirsching lehnte die Schrift des Buchzeichens an die Beschriftung des Schönen Brunnens an. Ernst Reizenstein sah sich sehr mit der Stadt verbunden, was sein Exlibris zum Ausdruck brachte.

Das Exlibris stammt aus der Exlibrissammlung der BStB, die seit ca. Anfang der 1980er-Jahre von einem Buchbinder angelegt worden war, und in den 2010er-Jahren dem Bereich Provenienzforschung der ZLB übergeben wurde.

Im Bestand der Zentral- und Landesbibliothek befinden sich neben dem Exlibris noch 16 Bücher, die nachweislich Ernst Reizenstein zugeordnet werden konnten. In jedem dieser Bücher befindet sich die handschriftliche Nummer der „Bergungsstelle 15“, der ehemaligen Bibliothek des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) in der Eisenacher Straße 11–13 in Berlin-Schöneberg. Es ist anzunehmen, dass auch das Exlibris aus einem Buch stammt, das sich zu einem uns nicht bekannten Zeitpunkt im RSHA befunden hat.

Weiterführende Informationen

Die zurückgegebenen Objekte auf looteculturalassets.de