Bonifatiuskonvent Vilnius und Domus Vilnensis Congregationis Missionis
Stempel der Konventbibliothek Vilnius
Im Oktober 2025 konnten vier Bücher an das Erzbistum Vilnius restituiert werden. Zwei dieser Bücher stammten aus der Bibliothek des katholischen Bonifatiusklosters in Vilnius. Die anderen beiden Bände gehörten zu den geraubten Bibliotheksbeständen der Domus Vilnensis Congregationis Missionis, einer missionarischen Kongregation in Vilnius. Die beiden vorbesitzenden Institutionen, die heute Teil des Erzbistum Vilnius sind, konnten eindeutig über die in den Büchern vorhandenen Stempel identifiziert werden.
Die vier hier beschriebenen Bücher stammen aus den unbearbeiteten Depotbeständen der Berliner Stadtbibliothek. Bei der Lieferantin handelt es sich um die Bergungsstelle für wissenschaftliche Bibliotheken Nr. 15, das ehemalige Depot des Reichssicherheitshauptamtes in der Eisenacher Str. 11–13 in Berlin-Schöneberg. Dort lagerten Hunderttausende Bücher, die die Nationalsozialisten zum Aufbau einer sog. Gegnerbibliothek unrechtmäßig zusammengetragen hatten.
Voreigentümerin Biblioteka Konventu, O. O. Bonifratrow w Wilnie
Das katholische Bonifatiuskloster der Barmherzigen Brüder der Kirche des Heiligen Kreuzes (Übersetzung aus dem Litauischen) in Vilnius befindet sich in der Altstadt am S. Daukanto aikšte Platz (vor 1945 Napoleonplatz). Das im Barockstil gehaltene Gebäude wurde um 1635 für den Orden der Barmherzigen Brüder errichtet.
Die Geschichte der Katholischen Kirche in Vilnius geht bis auf das Jahr 1543 zurück, als der spätere Bischof von Vilnius, Paweł Algimunt Holszański (1490–1555), eine Kapelle an dem heutigen Sitz des Klosters errichten ließ. Nachdem der Brüderorden 1635 in Vilnius eintraf, ließen sie die Kapelle abreißen und errichteten eine kleine Kirche, die 1737 niederbrannte. Elf Jahre später erfolgte der Wiederaufbau des Gebäudes. Bis heute zieren die Fassade die markanten zwei Türme. Einhundert Jahre nach der Erbauung ließ der nun amtierende Bischof ein Krankenhaus neben der Kapelle anlegen. Die Versorgung der Patienten lag bis zu seiner Auflösung im Jahr 1843 in der Verantwortung des Ordens der Barmherzigen Brüder. 1924 kehrte der Orden nach Vilnius zurück und eröffnete im Kloster ein Altenheim sowie eine Suppenküche für die Bedürftigen.
Voreigentümerin Domus Vilnensis Congregationis Missionis
Bei der Domus Vilnensis Congregationis Missionis handelt es sich um eine missionarische Kongregation in Vilnius, die das Ziel verfolgt, den christlichen Glauben zu verbreiten. Heute ist die Verbindung Teil des Erzbistum Vilnius.
Die Missionspriester kamen Ende des 17. Jahrhunderts im Auftrag der römisch-katholischen Kirche aus Frankreich in das Königreich Litauen. 1695 begannen die Missionare mit dem Bau einer Kirche, der Viešpaties Dangun Žengimo bažnyčia (aus dem Litauischen übersetzt: Kirche der Himmelfahrt). Der Bau wurde durch Spenden finanziert. Erst 1730 konnte die Kirche fertiggestellt werden, die sich noch heute außerhalb der historischen Stadtmauern befindet. Vom sogenannten Hügel der Drei Kreuze sind die markanten, in den Jahren 1750 bis 1754 errichteten Türme, die das Portal einrahmen, gut zu erkennen. Auch ein Klostergebäude befindet sich auf dem Gelände, das in den Jahren von 1739 bis 1751 entstanden ist. Der Gebäudekomplex in der ulicy Subačiaus 18 wurde ferner mit einem Krankenhausbau ergänzt.
Vilnius unter der nationalsozialistischen Okkupation 1941–1944
Im 20. Jahrhundert war die Stadt Vilnius eine Art Spielball zwischen der polnischen Republik und der sowjetrussischen Republik. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs fungierte Wilno (pl.) als Hauptstadt der gleichnamigen Wojewodschaft in der Zweiten Polnischen Republik. Nach der Okkupation durch die Sowjetunion von 1940 bis 1941 war Wilnjus (russ.) Hauptstadt der Litauischen Sozialistischen Sowjetrepublik.
Nachdem die Nationalsozialisten die Sowjetunion angriffen, fiel Vilnius unter die deutsche Okkupation. Die Bevölkerung empfand die Besetzung als Befreiung von den Sowjets. Auch der bereits vorherrschende Antisemitismus gegenüber der jüdischen Bevölkerung fiel auf nährreichen Boden und erleichterte den Nationalsozialisten die Umsetzung ihrer antijüdischen Maßnahmen, die in Massenexekutionen im nahegelegenen Wald Ponery mündeten. Tausende Litauer beteiligten sich aktiv und bereitwillig an den Erschießungskommandos.
Wie auch die römisch-katholische Kirche schwiegen ein Großteil der Kleriker in Vilnius während der Shoah. Ein Schweigen, das auch heute noch im kollektiven Gedächtnis der Bevölkerung Litauens vorhanden ist. Nur vereinzelt prangerten Einzelne die Verbrechen gegenüber der jüdischen Bevölkerung in Vilnius öffentlich an und/oder versteckten Menschen. Viele von diesen Hilfeleistenden wurden denunziert und ebenfalls in Ponary ermordet.
Wie sich die Missionare der Viešpaties Dangun Žengimo bažnyčia und der Orden der Barmherzigen Brüder während der nationalsozialistischen Okkupation von Vilnius verhielten, ist nicht überliefert, genauer gesagt, wurde dieses Kapitel der Katholischen Kirche Litauens bis heute nicht wissenschaftlich aufgearbeitet. Deshalb ist auch der genaue Entzugsmoment der hier beschriebenen Bücher nicht genau nachzuvollziehen.
Bewertung als NS-Raubgut
Obwohl keine genauen Kenntnisse vorliegen, warum die Nationalsozialisten die Bücher raubten, kann anhand der in ihnen identifizierten Bergungsnummer „15“ festgestellt werden, dass das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) dafür verantwortlich gewesen war. Die Bücher wurden in einem bisher unbekannten Zeitraum während der nationalsozialistischen Besatzung aus Vilnius nach Berlin verschleppt. Dort lagerten sie bis zum Kriegsende in einem ehemaligen Logengebäude in der Eisenacher Straße 11–13, das vom RSHA als Depot genutzt worden war. Die Bücher des Klosters und der Kongregation ergänzten die Raubgutbestände, die u.a. aus jüdischen Gemeinden, Logen, Parteibibliotheken und staatlichen Institutionen europaweit unrechtmäßig zusammengetragen worden sind.
Weiterführende Informationen
- Bank, J. & Gevers, L.: Churches and Religion in the Second World War. London 2016.
- Suziedelis, Saulius: The Sword and the Cross: A History of the Church in Lithuania. Huntigton 1988.
- Toleikis, Vytautas: Verdrängung, Aufarbeitung, Erinnerung. Das jüdische Erbe in Litauen, in: Sapper, Manfred (2008): Impulse für Europa: Tradition und Moderne der Juden Osteuropas, (Osteuropa 8–10/2008). Berlin 2008, S. 455–464.
- Wikipedia-Eintrag über die Lazaristen: Lazaristen – Wikipedia.
- Wikipedia-Eintrag zum Bonifatiuskloster in Vilnius: Kościół św. Krzyża i klasztor Bonifratrów w Wilnie – Wikipedia, wolna encyklopedia.
- Zur Geschichte der Missionare in Vlnius: https://madeinvilnius.lt/de/die-Geschichte-von-Vilnius/Atelier-der-Stadt-Vilnius/Missionsgärten-2/.
- Zur Geschichte der Stadt Vlnius: Vilnius – Wikipedia.
Die restituierten Objekte auf lootedculturalassets.de
- Avxilia Historica, Oder Historischer Behülff, Und Bequemer Unterricht Von denen erforderlichen Wissenschafften; VI. Theil: Von denen gesammten Niederlanden, denen nach Abgang des Habsburgischen Stamm-Hauses sich ereignenden Königlich- Ungar- und Böhmischen Successions-Angelegenheiten, wie auch derer Chur-Häuser Bayern, Sachsen und Brandenburg, Prætensionen an das Ertz-Hauß Oesterreich, und resp. Herzogthum Schlesien, ingleichen von Reichs-Vicariat &c. : Nebst angehängter Lob- und Trauer-Rede auf das Habsburgische Haus (1747)
- Der gegenwärtige Zustand von Europa, worin die natürliche und politische Beschaffenheit der Europäischen Reiche und Staaten aus bewährten Nachrichten beschrieben wird (1767)
- Leben des wohlthätigen Philosophen. Oder vollständige Lebensgeschichte des weltberühmten Polnischen Königs Stanislai Lesczinski, Herzogs zu Lothringen und Bar, &c. Schwiegervaters Königs Ludwigs XV. in Frankreich (1767)
- Versuch einer Geschichte Danzigs aus zuverläßigen Quellen und Handschriften : Erster Band (1789)