Arnold Sack
Passfoto Dr. Arnold Sack, 1939. © Staatsarchiv Baden
Im August 2025 konnte ein Buch an die Erben von Dr. Arnold Sack (1863–1940) restituiert werden. Der Band wurde 1945 im Zugangsbuch „Geschenk“ unter der Zugangsnummer „3111“ eingearbeitet. Im Februar 1948 erhielt das Buch die Signatur „Kg 1484 4“. Als Lieferant ist das „Kulturamt“ vermerkt. Bei dem in den Zugangsbüchern „Geschenk“ inflationär genutzten Lieferanten ist unklar, um welche Institution es sich genau gehandelt hat. Mithilfe einen Unterschriftvergleichs konnte die Person eindeutig identifiziert werden.
Dr. Arnold Sack wurde am 4. Juni 1863 in Odessa als Sohn der Eheleute Israel (1831–1904) und Amalie Sack (1832–?, geb. Münz) geboren. Die Familie gehörte der jüdischen Religionsgemeinschaft an. Arnold hatte fünf Geschwister. Arnold Sack besuchte in St. Petersburg das Gymnasium. Nach seiner Reifeprüfung studierte er von 1881 bis 1882 an der Universität St. Petersburg. Die zahlreichen Pogrome im russischen Zarenreich in den Jahren 1881 bis 1884 führten dazu, dass die Familie Sack, wie so viele andere Jüdinnen und Juden, das Land verließ. Arnold Sack zog es nach Heidelberg, wo er sein Studium fortsetzte und 1886 mit der Promotion zum Dr. phil. abschloss. Im Anschluss folgte ein Medizinstudium, das ihn neben Heidelberg auch nach Leipzig und Straßburg führte. Seine Approbation als Arzt erhielt Arnold Sack 1889 in Heidelberg. Im selben Jahr bestand Sack die Prüfung zum Dr. med. in Straßburg.
Während seines Studiums lernte Sack Luise Schatzkin (1867–1935) kennen. Die Familie Schatzkin war Teil der jüdischen Religionsgemeinschaft in Langensteinbach bei Karlsruhe. 1889 heiratete das Paar und Arnold Sack praktizierte für ein Jahr in Langensteinbach. Im Anschluss ging Sack als Assistent an eine Hautklinik in Karlsruhe. Im Jahr 1890 kam Tochter Sophie in Langensteinbach und ein Jahr später Sohn Waldemar Theodor in Heidelberg zur Welt. Ende 1891 siedelte die Familie von Langensteinbach nach Heidelberg über. Dort praktizierte Arnold Sack bis ins Jahr 1938 als Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten. Seine Praxis befand sich laut den Heidelberger Adressbüchern bis 1938 im lokalen Licht- und Röntgeninstitut in der Handschuhsheimer Landstraße 12 in Heidelberg.
1895 erhielten die Eheleute Sack und ihre Kinder die badische Staatsangehörigkeit. Während sich Arnold und Luise sowie Sohn Waldemar Sack dauerhaft in Heidelberg und Umgebung niederließen, zog Tochter Sophie nach Berlin. Dort heiratete sie am 17. Februar 1914 den aus Prag stammenden Theaterkritiker, Redakteur und Schriftsteller Dr. Emil Faktor (1876–1942). Aus der Ehe gingen zwei Töchter und ein Sohn hervor: Richard wurde im Jahr 1914 und Lili Therese im Jahr 1917 geboren. Das jüngste Kind, Edith Faktor, verstarb sechs Monate nach ihrer Geburt im März des Jahres 1920. Arnold Sacks‘ Sohn Waldemar ehelichte vor 1915, das genaue Heiratsdatum konnte bisher nicht ermittelt werden, die aus Warschau stammende Sophie (auch Zofia) Rittenberg. Sohn Heinz Adalbert kam 1915 und Sohn Robert Arno Sack 1920 zur Welt.
Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten geriet die Familie Sack in den Fokus des NS-Verfolgungsapparates. Arnold Sack blieb in Heidelberg und konnte bis ins Frühjahr 1938 trotz zunehmender Repressalien und öffentlicher Denunziationen weiter praktizieren. Tochter Sophie, die beruflich als Konzertpianistin tätig gewesen war, zog 1933 mit ihrer Familie in die Heimat ihres Mannes Prag. Emil Faktor hatte aufgrund seiner jüdischen Religionszugehörigkeit seine Position als Chefredakteur des Berliner Börsen-Couriers verloren. In Prag arbeitete Faktor als freier Journalist und Kritiker. 1935 wurde der Familie Faktor die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen.
Arnolds Sohn Waldemar, seit 1922 ebenfalls als Facharzt für Hautkrankheiten tätig, lebte mit seiner Familie in Baden-Baden. Am 1. April 1933, dem Tag des sog. Judenboykotts, drangen SA-Angehörige in die Wohnung von Waldemar Sack ein und zerstörten Möbel und weiteres Inventar. Es folgten permanente Angriffe und Denunziationen in der lokalen Parteipresse wie auch durch seine Kollegen. Am 31. Dezember 1935 verstarb Luise Sack in Baden-Baden. Witwer Arnold Sack verblieb noch bis ins Frühjahr 1938 in Heidelberg, ehe er seine Praxis im Mai 1938 dauerhaft schließen musste. Im Anschluss zog Sack zu seinem Sohn nach Baden-Baden in die Stadelhoferstraße 14.
Die Familien Sack und Faktor sahen für sich in NS-Deutschland keine Zukunft mehr und intensivierten ihre Bemühungen, auszuwandern. Waldemar Sack besuchte 1938 seinen in Paris studierenden Sohn Heinz. Vermutlich mit der Intention, seine Familie ebenfalls nach Frankreich zu holen, ignorierte Waldemar die Rückkehrfrist zur Wiedereinreise nach NS-Deutschland. Ehefrau Sophie gelang es, gemeinsam mit Sohn Robert zu folgen.
Arnold Sack blieb als einziger seiner Familie in Baden-Baden zurück. Am 22. Oktober 1940, während des jüdischen Laubhüttenfestes (hebr. Sukkot), wurden mehr als 6.500 Menschen aus den damaligen Gauen Baden und der Saarpfalz in das von der französischen Vichy-Regierung betriebene Internierungslager Gurs deportiert. Bei dem Transport handelte es sich um die erste Massendeportation von Jüdinnen und Juden seit Beginn des Zweiten Weltkrieges. Arnold Sack war einer der Deportierten. Einen Monat nach seiner Internierung verstarb Arnold Sack am 21. November 1940 in Gurs.
Arnold Sacks Enkelin Lili Therese gelang es, 1939 in die USA auszuwandern. Trotz der Bemühungen ihrer Tochter und des Besitzes des notwendigen Affidavits wurde Emil und Sophie Faktor die Einreise in die USA aufgrund der US-amerikanischen Quotenregelung verweigert. Am 21. Oktober 1941 erfolgte die Deportation des Ehepaars Faktor von Prag (Transport B, Nr. 352) in das Ghetto Litzmannstadt, wo sie am 10. April 1942 ermordet wurden. Lilis Bruder Richard, von Beruf Jurist, hatte Prag im August 1939 illegal verlassen und hielt sich für eine kurze Zeit in Kattowitz auf. Nach dem deutschen Überfall auf Polen floh Richard in die Sowjetunion. In Prag hatte er ein Medizinstudium begonnen, das er nach seiner Flucht aus Polen zunächst fortsetzen konnte. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 wurde Richard Sack als „Deutscher“, die deutsche Staatsangehörigkeit hatten die Nationalsozialisten ihm bereits 1935 entzogen, von den Sowjets in den Ural deportiert. Fortan arbeitete er als Deutschlehrer in Nishni Tagil. Als jüdischen „Sowjetdeutschen“ ereilte Richard Sack der stalinistische Terror. Als angeblicher deutscher Spion richteten ihn die Sowjets am 14. Dezember 1942 in Nishni Tagil hin.
Arnolds Sacks Sohn Waldemar hielt sich beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs weiterhin in Frankreich auf, wo er im September 1939 als deutscher Staatsbürger interniert worden war. Ehefrau Sophie tauchte gemeinsam mit ihren Söhnen Heinz und Robert unter. Aus dem Internierungslager in der Nähe von Paris konnte Waldemar Sack fliehen. Er folgte seiner Familie in den Pariser Untergrund. Im Frühsommer 1942 floh Waldemar Sack mit seiner Familie vor den verstärkten Razzien in die von den Nationalsozialisten unbesetzte Zone Frankreichs unter Kontrolle des Vichy-Regimes, wo er als deutscher Staatsbürger erneut, dieses Mal im Lager Douadic im Department Indre, interniert wurde. Dort erkrankte er schwer. Im Dezember 1942 konnte Waldemar Sack das Lager verlassen. Die französische Verwaltung stellte ihn in Tournon Saint-Martin unter Hausarrest. Aufgrund der Bedrohung durch weitere Razzien tauchte Waldemar wie andere Geflüchtete auch unter falschen Namen im Centre d'accueil du Bégué des Abbé Alexandre Glasberg in Cazaubon unter. In diesem Versteck verstarb er am 30. Juni 1943.
Arnold Sack und seine Familie waren als jüdisch verfolgt. Tochter Sophie wurde gemeinsam mit ihrem Mann im Ghetto Litzmannstadt ermordet. Sohn Waldemar starb im französischen Untergrund. Enkelsohn Richard wurde in der Sowjetunion hingerichtet. Sie alle waren Opfer der Shoah. Arnold Sacks Enkelin Lili konnte in die USA fliehen. Arnolds Schwiegertochter Sophie (geb. Rittenberg) und ihre Söhne Heinz und Robert überlebten als sog. U-Boote in Frankreich den Nationalsozialismus.
Weiterführende Informationen
-
Arnold Sacks Eintrag im Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus in Baden-Baden.
- Gedenkbucheintrag zu Emil Faktor in der Datenbank der Opfer der rassischen Verfolgung der Nazis in der Tschechischen Republik.
- Gedenkbucheintrag zu Sophie Faktor in der Datenbank der Opfer der rassischen Verfolgung der Nazis in der Tschechischen Republik.
- Informationen zur Volkszählung 1939 und sog. Residentenliste entnommen aus der Datenbank Mapping the Lives.
- Kessler, Richard: Ossip K. Flechtheim : Politischer Wissenschaftler und Zukunftsdenker (1909–1998). Böhlau. Köln-Weimar-Wien, 2007.
- Reimer, Achim: Stadt zwischen zwei Demokratien : Baden.Baden von 1930 bis 1950. (Forum für deutsche Geschichte, hier Bd. 7).
- Schindler, Angelika: Der verbrannte Traum : Jüdische Bürger und Gäste in Baden-Baden. Baden-Baden, 2013.
- Sophie Sacks (geb. Rittenberg) Eintrag im Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus in Baden-Baden.
- Staatsarchiv Baden (StABAD) A23/39; A5/Meldekarte.
- Staatsarchiv Freiburg (StAF) F 196/1 Nr. 11567; P 304/4 Nr. 32.
- Täubert, Klaus: Emil Faktor : Ein Mann und (s)eine Zeitung. (Reihe Deutsche Vergangenheit, Bd. 109). Edition Hentrich. Berlin, 1994.
- Waldemar Theodor Sacks Eintrag im Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus in Baden-Baden.