Abraham und Henriette Rohr'sche Stiftung (Posen)

Stempel des Jüdischen Kranken- und Siechenhauses in Posen

Stempel des Jüdischen Kranken- und Siechenhauses in Posen

Die Gründung des Jüdischen Kranken- und Siechenhauses in Posen geht auf die Gebrüder Moritz (1835–1896) und Isidor Rohr (1839–1904) zurück. Am 30. Juni 1887 gründeten sie im Gedenken an ihre Eltern, Abraham (1812–1885) und Henriette Rohr (1809–1877, geb. Tugendreich) die Abraham und Henriette Rohr’sche Stiftung zur Verbreitung und Förderung des Handwerks, der technischen Gewerbe, des Ackerbaus und der Gartenkultur unter den Juden der Gemeinden Jarotschin und Posen. Die Stiftung wurde mit einem Grundkapital von 220.000 Mark ausgestattet, wovon 200.000 Mark zugunsten der Synagogen-Gemeinde zu Jarotschin und 20.000 Mark für die Synagogen-Gemeinde zu Posen zweckgebunden waren. Die Familie Rohr war mit beiden Orten verbunden, u. a. kam Isidor Rohr 1839 in Jarotschin zur Welt. Aus den Zinsen des für die Synagogen-Gemeinde zu Jarotschin bestimmten Kapitals sollte jährlich ein Betrag in Höhe von 1.000 Mark an Arme, unabhängig ihrer Konfession, verteilt werden.

Moritz Rohr setzte sein Engagement als Philanthrop fort und spendete 1893 für den Bau eines Jüdischen Kranken- und Siechenhaus in Posen 600.000 Mark. Am 31. Mai 1893 feierte die Synagogen-Gemeinde zu Posen die Grundsteinlegung. Das Grundstück befand sich auf dem sog. Posener Kaisergelände in einer „parkartigen Umgebung, in unmittelbarer Nähe der Stadt – vor dem Königsthor“. Der Bau sollte im Oktober 1894 abgeschlossen sein. Der renommierte Berliner Architekt und Baurat, Johann Heino Schmieden (1835–1913), hatte das Bauprojekt entworfen. August Lauber von Spielberg, seinerzeit Regierungsbaumeister in Posen, übernahm die Bauleitung. Moritz Rohr veranlasste, dass das Krankenhaus als Schenkung in den Besitz der Synagogen-Gemeinde zu Posen überging. Das Hospital eröffnete am 18. Juni 1895 und der Posener Justizrat, Julius Salz (1852–1909), übernahm die Direktion. Direkt neben dem Krankenhausgebäude wurde eine Synagoge eingerichtet.

Die Männerabteilung des Hospitals hatte eine Kapazität von 15 Betten, die Frauenabteilung von 14 Betten, und die Krankenanstalt konnte 18 Patienten gleichzeitig aufnehmen. Im Berichtsjahr 1908/1909 wurden 496 Personen im Krankenhaus behandelt, im folgenden Jahr waren es 500 (424 Juden und 76 Christen). Im Berichtsjahr 1912/1913 stieg die Zahl der Patienten auf 571 (davon 493 Juden und 78 Christen). In den Jahren von 1930 bis 1931 wurden insgesamt nur noch 190 Personen in der Anstalt behandelt. Es begannen Überlegungen, dass Hospital aus Kostengründen zu schließen. Dies konnte jedoch durch Subventionen seitens der Synagogen-Gemeinde abgewendet werden. Das Krankenhaus konnte bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 weiterbestehen.

Am 10. September 1939 okkupierte die deutsche Wehrmacht die Stadt, die nun als Hauptstadt des „Reichsgaus Wartheland“ fungierte. Im November 1939 verkündete Gauleiter Karl Heinrich Wilhelm Koppe (1886–1975), dass Posen und seine Umgebung innerhalb von drei Monaten „judenfrei“ sein sollten. Noch im November 1939 begannen die ersten Deportation der noch in der Stadt lebenden Jüdinnen und Juden. Da sich das Krankenhausgebäude unmittelbar auf dem Kaisergelände befand, welches die NS-Behörden in einen NS-konformen Verwaltungsdistrikt umgestalten wollten, musste das Jüdische Krankenhaus 1939 schließen. Eine Nachnutzung durch die NS-Machthaber, die ein Hospital für die ortsansässigen Militär- und Polizeiverbände errichten wollte, lehnten die Nationalsozialisten aus ideologischen Gründen ab. Der geplante Neubau eines Krankenhauses und die Umstrukturierung des Stadtteils wurde bis zum Kriegsende nicht realisiert. Das Gebäude des Jüdischen Krankenhauses wurde während der letzten Kriegshandlungen in und um Posen 1945 zerstört. Nur das Gebäude der Infektionsstation überstand den Krieg und wurde nach Kriegsende in ein Wohngebäude umfunktioniert.

Neben einer Synagoge befand sich in den Räumen des Jüdischen Krankenhauses Posen auch eine Bibliothek. Über den Bestandsumfang ist nichts bekannt.

Das Buch wurde in der Berliner Stadtbibliothek (BStB) am 26. September 1945 ins Zugangsbuch Geschenk 1945 mit der Zugangsnummer „148“ aufgenommen. Als Lieferant wurde das „Kulturamt“ eingetragen, bei dem unklar ist, um welche Organisation es sich genau handelte. Das Buch war für die Nutzung vorgesehen und erhielt am 19. November 1946 die Signatur „Kh 528“. Auch wenn sich in dem Buch keine handschriftliche Nummer befindet, liegt die Vermutung nahe, dass die Bergungsstelle für wissenschaftliche Bibliotheken die Lieferantin gewesen sein könnte. Dafür sprechen bisherige Erkenntnisse, wonach in den Zugangsbüchern „Geschenk“ nach Kriegsende neben der „Bergungsstelle“ auch willkürlich das „Bücherlager“ oder eben „Kulturamt“ als Lieferanten vermerkt worden sind. Die Zugänge unter Angabe der eben genannten Lieferanten begannen in jener Zeit, als die Bergungsstelle im Ermelerhaus eingerichtet worden war.

Weiterführende Informationen

  • Allgemeine Zeitung des Judentums. Ein unparteiisches Organ für alles jüdische Interesse, 16. Jahrgang Nr. 5 (2. Februar 1912, Berlin: Rudolf Mosse, S. 60.
  • Bielawska-Pałczyńska, Joanna: Poznań. Spis zabytków architektury. Poznań: Miejskie Posnania, 2004.
  • Der Gemeindebote. Beilage zur „Allgemeinen Zeitung des Judenthums“, 57. Jahrgang Nr. 24 (16. Juni 1893), Berlin, S. 1.
  • Der Israelit. Ein Central-Organ für das orthodoxe Judenthum, 34. Jahrgang Nr. 46 (8. Juni 1893), Mainz, S. 868.
  • Guttstadt, Albert: Krankenhaus-Lexikon für das Deutsche Reich. Berlin: Georg Reimer, 1909.
  • Heppner, Aaron / Herzberg, Isaak: Aus Vergangenheit und Gegenwart der Juden und der jüdischen Gemeinde in Posener Landen. Koschmin, Bromberg: Selbstverlag, 1909.
  • Oesterreichische Wochenschrift. Centralorgan für die gesamten Interessen des Judenthums, 10. Jahrgang Nr. 1 (6. Januar 1893), Wien, S. 12.
  • Szpital Żydowski i Przytułek dla Zniedołężniałych fundacji Abrahama i Henrietty Rohrów w Poznaniu.
  • Witkowski, Rafał: Żydzi w Poznaniu: krótki przewodnik po historii i zabytkach. Poznan: Wydawnictwo Miejskie Posnania, 2012.

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